Turnverein Bremerhaven (TVB) – Wie alles begann
Wie alles begann ...
Auf einer Deichwanderung nach Dorum am 15, Juni 1859 unterbreitet Justus Carl Lion, seit einem Jahr Turnlehrer an der Bremerhavener Realschule, seinen Freunden die Idee einen Turnverein zu gründen. Am 20. Juli wird der TV Bremerhaven von 1859 als erster Turnverein an der Unterweser (TV Wulsdorf 1861, Geestendorf- Geestemünder TV 1862, TV Lehe 1869) aus der Taufe gehoben und Lion sein erster Vorsitzender. Gleich 64 Männer erklären ihren Beitritt.
1860
Schon ein Jahr später wird der junge Verein auf eine harte Probe gestellt. Lion kann sich nicht mit der Idee anfreunden, in einem Turnverein auch gleichzeitig Wehrübungen zu betreiben. So spaltet sich ein Teil der Mitglieder ab und gründet den „Allgemeinen Turn- und Wehrverein Bremerhaven“. Die Fahne des neuen Vereins hat die Farben schwarz – rot – gold. Aber der alte Verein bleibt stark. Die Turnabende sind gut besucht. Auf vielen Turnfesten sind Bremerhavener Turner vertreten.
1862
Lion verlässt am 1. Oktober Bremerhaven, um eine neue Aufgabe in Leipzig zu übernehmen. Seine fruchtbare Aufbauarbeit wird aber konsequent weitergeführt. Der Lehrer Friedrichs wird neuer Vorsitzender.
1863
Die erste Fahne des jungen Vereins wird geweiht und von weiß gekleideten Jungfrauen mit einer schwarz-rot-goldenen Schärpe um die Schultern an den Vorsitzenden Garrels übergeben. Am Ende des Jahres hat der Verein 155 Mitglieder.
1864
Aus einem Sitzungsprotokoll des Vorstandes: „Der Dorumer Turnverein hat am 20. Mai brieflich eine Turnfahrt nach hiesigem Orte angekündigt… Die Mitglieder unseres Vereins versammeln sich um 7 ½ Uhr am Cornelius’schen Garten und ziehen zum Speck- und Bütteler Holze den Dorumern entgegen. Ein Fässchen Bier wird daselbst mit ihnen geleert und die Kosten dafür aus der Vereinskasse bewilligt. Um 3 Uhr nachmittags versammeln sich die Mitglieder mit den Dorumern auf dem Turnplatz zum gemeinschaftlichen Turnen.
1866
Eine Episode aus dem „Allgemeinen Turn- und Wehrverein Bremerhaven“: “Der Verein hatte einen Ausflug ins Oldenburger Land gemacht und kehrte gegen 8 Uhr mit dem Dampfboot zurück. Als man Bremerhaven in Sicht bekam, ertönte das Kommando: „An Deck angetreten! Gewehr – über! Als wir an der Geeste landeten, empfing uns Hauptmann Krogmann mit dem Kommando: „Angetreten! Marsch!“ Und im Marschschritt ging es zum Vereinslokal. Hier wurde uns mitgeteilt, dass die schwache Besatzung des Forts Wilhelm (zu Hannover gehörig) in der Meinung, wir seien die Preußen, das Fort geräumt hätte und über die Geeste gegangen sei. Amtmann Gröning wünschte, dass wir das Fort Wilhelm sowie die beim Leuchtturm liegende Schanze unter Bewachung nehmen möchten. An der Westseite des Alten Hafens wurde das Bremerhavener Schützenfest gefeiert. Die auf dem Deich vom Fort zur Schanze patroullierenden Wachen genossen die ganze Nacht hindurch die Musik des Festplatzes. Am anderen Morgen gegen 10 Uhr landeten die Preußen und lösten uns ab. Die Pulverkammern waren vor dem Ausrücken der Hannoveraner unter Wasser gesetzt worden.“
1867
Der „Allgemeine Turn- und Wehrverein“ schließt sich wieder dem Turnverein an. Der aufwändige Übungsbetrieb ist zu teuer geworden, und reumütig kehrt man wieder in den Schoß des Stammvereins zurück.
1880
Aus dem Kreis der Turner heraus wird eine Gesangsabteilung gegründet, die von Hermann Dörschel dirigiert wird. Zwei Jahre später wird er von dem Lehrer Zobel abgelöst. 1895 löst sich die Gruppe wieder auf.
An der Weser entsteht das Seebad „Gut Heil“. Aber Sturmfluten beschädigen es immer wieder. 1895 wird ein festes hölzernes Badehaus gebaut, das der Sturmflut von 1897 aber auch nicht widerstehen kann. So wird wieder ein neues errichtet, mit dem Wappen des Vereins an der Seite.
1889
Am 6./7. Juli findet das XIV. Kreisturnfest in Bremerhaven statt, das der TV ausrichtet. Zum V. Kreis der Deutschen Turnerschaft gehören Bremen, Oldenburg, das Osnabrücker, das Ostfriesische und das Unterweser-Gebiet. Er zählt ca. 7000 Mitglieder.
Man muss also von einer regionalen Veranstaltung sprechen. Aus der örtlichen Presse entnehmen wir: „Am 6. Juli fand die Festkneipe im großen Saal des Volksgartens statt, der elektrisch erleuchtet und in würdiger Weise geschmückt war. Am Hafen sah man ganze Schaaren fremder Turner, die sich nicht satt sehen konnten an dem großartigen Bilde, welches die vollbeflaggten Lloyd-Dampfer und andere in den Häfen liegende Schiffe boten.“…
„Zum Festball am 7. Juli abends 8 Uhr sind Karten für Herren für 2 Mark, für Damen für 50 Pf. An der Casse zu lösen. Damen haben nur dann Zutritt, wenn sie durch einen Turner eingeführt werden.“…
„Staunen erregte der Hoch-Stabsprung eines Turners vom Allgemeinen Bremer Turnverein, der mit Eleganz über die 2 m und 70 Centimeter hoch gespannte Leine hinwegsetzte, leider dabei die letztere berührte, in Folge dessen der Sprung nicht gerechnet wurde… Der Regen floss in Strömen. Der Humor der Turnerschaar wurde jedoch dadurch nicht getrübt, und unter Donner und Blitz, bereits durchnässt bis auf die Haut, begann die brave Schaar… die Freiübungen und nach Beendigung derselben das allgemeine Turnen an den verschiedenen Geräten, welches ein gutes Zeugnis von dem guten Stande der Turnerei in unserem V. Kreis ablegte.“
1893
Der Verein zählt in diesem Jahr 270 Mitglieder.
1896
Ein Tambour Korps wird gegründet.
Die erste Vereinsfahne von 1863 war unansehnlich geworden, deshalb sollte für Ersatz gesorgt werden. Dazu erscheint im September folgender Aufruf: „Der Umstand, dass die Fahne unseres Turnvereins sich seit längerer Zeit in einem solchen Zustande befindet, der eine Erneuerung derselben notwendig macht, hat einem, dem Vereine nahestehenden Damenkreise zu dem Wunsche Veranlassung gegeben, von Seiten der Damen dem Vereine eine neue und bessere Fahne zu verehren, damit derselbe bei turnerischen Festlichkeiten sowohl in unserer Stadt als auch in den nahen und fernen Gauen unseres Vaterlandes mit einem würdigen Zeichen der Zusammengehörigkeit vor die Oeffentlichkeit treten kann. Um nun die nötigen Gelder zur Anschaffung einer neuen Fahne zu beschaffen, hat sich das unterzeichnete Komitee gebildet und beschlossen, eine Verlosung von allerhand Wertgegenständen zu veranstalten. Diese besteht aus Frau R. Kaulitz, A. Bergmann, H. Neumann, J. Lohmeyer, J. Springer, A. Battermann, E. Muckelberg, J. Janssen, H. Hennig, E. Reiche, Frl. Hohenböken, Müller, Ostermann, Rothfoß.“
Die Verlosung findet mit Erfolg am 7. November statt und die Fahne kann gefertigt werden.
1897
Die neue Vereinsfahne wird am 29./30. Mai in einer würdevollen Feierstunde geweiht.
Nichtige Beweggründe führen zu einen Streit zwischen dem Vereinsvorsitzenden Adolf Bergmann und Oberturnwart Kaulitz. Letzterer vermag sein Unrecht nicht eingestehen, verlässt den TVB und ruft zur Gründung eines Konkurrenzvereins in Bremerhaven auf. Am 31. August wird der Turnverein „Jahn“ aus der Taufe gehoben. Waren die Turnvereine bisher reine Männergesellschaften, so treten in diesem Jahr auch zum ersten Mal Frauen und Mädchen als aktive Vereinsmitglieder auf. Im TVB und TV „Jahn“ werden Damenriegen gebildet.
1901
Anlässlich des 53. Sängerfestes der Vereinigten Norddeutschen Liedertafeln in Bremerhaven beteiligt sich der TVB am Festumzug mit ca. 80 Turnern und stellt einen mit Jubel begrüßten Festwagen, auf dem die fröhlichen Turner ihre „Filiale Kamerun“ bildlich vorführen. Unter den Klängen einer schwarzen Musikkapelle turnen wollhaarige Neger und Affen um die Wette auf dem Wagen herum oder stärken sich im „Vereinslokal“, so berichtet die Provinzial-Zeitung am 7. Juli..
Der Verein schließt für seine Mitglieder eine Haftpflichtversicherung bei der Oberrheinischen Versicherungs-Ges. ab.
Während der Sommerferien lässt der TVB durch den Turnlehrer Degener jeden Morgen auf dem Spielplatz an der Kaiserstr. Jugendspiele veranstalten. Der Kursus dauert drei Wochen und kostet 3.- Mark.
1904
Dem Jahresbericht sind die folgenden mahnenden Worte vorangestellt: ” Das verflossene Jahr hat unserem Verein wiederum reichlich Gelegenheit zu ernstem Streben und treuer Arbeit gebracht. Erachten wir es doch als unsere schönste Aufgabe, das Turnen eifrig zu pflegen und es immer weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Bedauerlicherweise wird von den in den Turnvereinen bestehenden bewährten Einrichtungen noch viel zu wenig Gebrauch gemacht, weil man die damit für Körper und Geist gebotenen Vorteile nicht genügend zu schätzen weiß. Allmählich sind wir in das Zeitalter des Drängens und des Hastens und der Genußsucht geraten, in dem der Einzelne gerade deshalb oft Schiffbruch erleidet, weil in ihm die Harmonie zwischen Leib und Seele verloren geht. Einen gesunden Leib sich erhalten, heißt nicht einfach Leibesübungen pflegen und gesundheitsgemäß leben, sondern von innen heraus mit frischem, sittlichen Willen sich aufzuraffen und gegen die in unserem Zeitalter wider uns anstürmenden Mächte mannhaft anzukämpfen. Und erweist sich der Wille hier siegreich, so setzt er, einmal seine Kräfte fühlend, leicht auch auf den anderen Gebieten des Lebens ein. Darum sollte in keinem Alter das Bestreben, die Kräfte des Leibes frisch zu regen, unterbleiben.”
Dr. jur. Chr. Claußen wird Vorsitzender des Vereins, aber Engelbert Hercksen (gest. 29.04.1913) als zweiter Vorsitzender leitet die Geschäfte.
Der TVB kann die neue Turnhalle des Gymnasiums am Siegesplatz (heute: Freigebiet) unentgeltlich nutzen. Bis zum 18.9.1944 (Bombenangriff auf Wesermünde) bleibt sie Hauptübungsstätte.
Dem Verein gehören 517 Mitglieder an.
In der Damen-Abtl. ist in den Sommermonaten das Tambourinspiel sehr beliebt.
Das Cafe’ “Sanssouci” wird ab dem 17. Mai neues Vereinslokal.
Der Stadt Bremerhaven werden vom TVB 500.- Mark als unverzinsliches Darlehen zum Zwecke der Errichtung eines Theaters überwiesen. Auch die Altersriege spendet für den gleichen Zweck 50.- Mark aus ihrer Skatkasse.
1906
Im Jahrsbericht ist zu lesen: „ Beim Schauturnen sämtlicher Abteilungen am 22.April legte auch die Frauenabteilung mit ihrem Gemeinturnen an 6 Barren , desgleichen Keulenschwingen eine beachtenswerte Probe ihres Könnens ab. Leider haben diese wohlgelungenen Darbietungen nicht dazu beigetragen, die Zahl der Turnerinnen, welche in den letzten Jahren, ungeachtet der Hingabe und des Lehrgeschicks des mit dem einschlägigen Turnstoff wohl vertrauten Turnlehrers, immer mehr sinkt, zu erhöhen. Es gibt eben noch zu viele, welche dem Frauenturnen skeptisch oder pessimistisch gegenüberstehen. …“
Die Verwaltung des Licht-Luft Bades stellt dem TVB ihre bestens eingerichtete Anstalt für die Abhaltung von volkstümlichen Übungen zur Verfügung, da der Verein selbst über keinen geeigneten Platz verfügt.
1907
Am 21. Februar nehmen ca. 160 Mitglieder an dem zu Ehren des Norddeutschen Lloyd anlässlich seines 50jährigen Bestehens veranstalteten Fackelzug und nachfolgendem Kommers teil.
Am 4. August wird mit NDL Salondampfer GLÜCKAUF eine Vergnügungsfahrt nach Helgoland unternommen.
Die am 25. Dezember im großen Stil abgehaltene Weihnachtsfeier gestaltet sich zu einer echt turnerischen Festlichkeit. Der geräumige Theatersaal des „Volksgarten“ ist mit weit über 1000 Personen bis auf den letzten Platz gefüllt. Die vom Leiter der Feier, Turnlehrer Otto Legel bearbeiteten beiden Werke „Weihnachtssegen“ und „Eine Turnfahrt nach Marokko“ erzielen neben den übrigen Darbietungen der über 100 Teilnehmer einen glänzenden Erfolg.
1908
Am 2. Januar verstirbt der Vereinsvorsitzende Rechtsanwalt und Notar Dr. jur. Chr. Claußen. Bis zur Jahreshauptversammlung übernimmt der 2. Vors. Engelbert Hercksen die Geschäfte. Dort wird der Kapitän und Leiter der Stauerei des Nordd. Lloyd Heinrich Hinsch (7.4.1850-17.1.1919) zum neuen Vorsitzenden gewählt. E. Hercksen bleibt geschäftsführender Vorsitzender.
Neben der Damen-Abtl. wird auch eine Mädchengruppe ins Leben gerufen, die zwei Mal wöchentlich in zwei Altersgruppen übt.
An der Sedanfeier des Krieger Verbandes Bremerhaven nimmt die Musterriege des TVB mit ihren Handstütz-Übungen, dem Reck- und Pferdturnen (Jockeysprünge) in hervorragender Weise teil.
Am 6. September findet bei ungünstiger Witterung eine Vergnügungsfahrt nach Helgoland mit dem Salondampfer VORWÄRTS statt.
Die Damen-Abtl. feiert ihr 10jähriges Bestehen.
Am 3.12. wird der TVB in das Vereinsregister beim Amtsgericht eingetragen.
1909
Der Turnverein Bremerhaven begeht sein 50jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass schreibt Turnlehrer Otto Legel “Die Geschichte des Turnvereins Bremerhaven”.
Die Feierlichkeiten zum 50jährigen Vereinsjubiläum werden durch einen Festabend am 15. Mai im Stadttheater eingeleitet. Das von Otto Legel geschriebene und von TVB-Mitgliedern aufgeführte Festspiel, in das Elfenreigen, Waffentänze und turnerische Vorführungen eingelegt sind, findet begeisterte Aufnahme. Die drei Akte spielen in der alten Germanenzeit, dann in der Walhalla, wo man den alten Jahn in Ehren aufnimmt, und zuletzt wird die Entstehungsgeschichte des Vereins unter Lion geschildert.
Am 16. Mai wird der Grundstein für das Jahn-Denkmal vor dem Hoffmann’schen Haus (später Haus des Handwerks) an der Kaiserstr. (heute Ecke Bürgermeister-Smidt-Str / Bürgermeister-Martin-Donandt-Platz) gelegt. Im Rahmen des Turnfestes des V. Kreises wird es am 26. Juni eingeweiht.
1913
Das Restaurant „Zum Bürgerlichen Brauhaus“, Inh. Heinrich Kerl, in der Bürgermeister-Smidt-Str. 105 wird ab 27. Mai das neue Vereinslokal.
Für dieses Jahr kann die Existenz einer Schwimm-Abtl. nachgewiesen werden. Die Frauen und Männer trainieren dienstags bzw. donnerstags im Marienbad. Im Sommer wird auch das See- und Sonnenbad „Gut Heil“ an der Weser genutzt.
Am 12. Deutschen Turnfest in Leipzig nehmen 47 Turner des TVB teil. Die TVB-Faustballmannschaft belegt als Meister des V. Kreises den 12. Platz unter den 18 Kreisen. Sie spielt in der Besetzung A. Barth, A. Hesse, Th. Janßen, W. Küttner und A. Wolgast. Im Anschluss unternehmen die Festteilnehmer eine Fahrt in die Sächsische Schweiz.